
Fassgereifte Cocktails? Die Idee fand ich von Anfang faszinierend! Getrunken hatte ich bisher noch keinen, aber das wollte ich ändern. Also habe ich die Initiative ergriffen und mir ein Fässchen besorgt. Hier kommt mein ausführlicher Erfahrungsbericht, er ist vielleicht hilfreich für den einen oder die andere Interessierte(n).
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Faszination Fass-Cocktails
Whisky und Cognac, viele Rums, einige Tequilas, wenige Gins – sie werden im Fass gereift. Das Holzfass verleiht ihnen nicht nur Farbe, sondern vor allem zusätzliche Aromen. Aus dem scharfen Rohbrand wird ein weiches Destillat mit Noten von Vanille, Rosinen, Honig, Lakritze oder Trockenpflaumen. Einfluss auf den Inhalt des Fasses hat dabei nicht nur das Holz selbst (meist kommt Eiche zum Einsatz), sondern auch eventuelle Vorbelegungen. Kurz: War vorher schon was anderes im Fass, ändert das das Aroma des neuen Inhalts. Whisky wird gerne in ehemaligen Sherry-Fässern gereift, Rum liegt gerne mal in Ex-Bourbon-Fässern.
Was mit einem Gersten-, Wein-, Zuckerrohr-, oder Agavenbrand funktioniert, klappt auch mit einem Cocktail: Das Fass verändert den Drink! Das hat Star-Bartender Jeffrey Morgenthaler zwar nicht als erster herausgefunden, aber zumindest richtig populär gemacht, indem er 2010 selbst mit fassgelagerten Cocktails experimentierte und darüber schrieb. Die Sache an sich ist also ganz und gar nicht neu – für mich aber schon :-)
Bei eBay habe ich ein 3-Liter-Fass aus Eiche für 55 Euro gekauft (tatsächlich passt etwas mehr rein, so rund 3,2 Liter). Es war unbenutzt, also nicht vorbelegt, aber von innen ausgebrannt bzw. geröstet wurde. Die Innenseite von Fässern zu verkohlen, ist eine beliebte Methode, um das Holz zu „aktivieren“, um noch mehr Aromen aus dem Holz zu ziehen. Beim Kauf eines Fasses muss man unbedingt darauf achten, dass es nicht eines von diesen Dekofässern ist, die von innen versiegelt sind. Mit Versiegelung gibt es keine Interaktion mit dem Holz. Das kann man zwar wollen, wenn man das Fass einfach zur Lagerung nutzen will. In diesem Fall will ich das nicht.
Ein kleines Fass mit nur 3 Liter Volumen hat den Vorteil, dass man sich nicht in Unkosten stürzen muss, um es zu füllen. Aber beachten: Je kleiner das Fass, desto größer ist das Verhältnis von Holzoberfläche zu Inhalt. Kleine Fässer reifen schneller.
Der eigene fassgereifte Cocktail: So geht’s
1. Fass besorgen
Es muss kein Eichenholz sein, aber von innen naturbelassen und je nach Wunsch ausgekohlt und/oder schon vorbelegt. Wichtig: Es darf von innen nicht versiegelt sein. Mit versiegelten Fässern funktioniert die Reifung nicht, weil der Fassinhalt das Holz nicht berührt. Holzfässer gibt es zum Beispiel bei https://www.faesser-shop.de/ oder bei eBay (da habe ich meins auch her).

2. Fass wässern
Ein neues Fass oder ein Fass, das schon länger unbenutzt ist, muss erst einmal mit Wasser gefüllt werden. Dadurch quellen die trockenen Dauben auf und verschließen die schmalen Lücken dazwischen. Das Fass wird dicht. Stellt das Fass dafür in eine Wanne, weil gerade am Anfang ein bisschen Wasser raustropfen kann. Wechselt das Wasser am besten täglich aus. Damit reinigt ihr das Fass auch von innen. Das Ganze macht ihr so lange, bis es nicht mehr tropft, was ein paar Tage dauern kann. Bei mir waren es drei Tag, wenn ich mich richtig erinnere.

3. Fass impfen/aromatisieren (optional)
Dieser Schritt ist optional, weil ihr vielleicht schon ein aromatisiertes Fass (gekauft) habt oder weil ihr einfach nur die blanken Holzaromen für die Cocktail-Reifung nutzen möchtet. Das bleibt euch überlassen. Ich habe mich bei meinem Fass, das bis dahin noch völlig unbenutzt und unbehandelt war (bis auf die Röstung), für eine Aromatisierung (nennt man auch Impfung) entschieden – und zwar mit 10 Jahre altem Portwein. Ich bin großer Portwein-Fan und wollte einfach ausprobieren, wie der Port sich auf den Cocktail auswirkt. War eine reine Bauchentscheidung. Der Portwein war knapp vier Monate im Fass – ausreichend Zeit, damit sich das Holz schön vollsaugen konnte. Danach habe ich das Fass geleert und zwei Tage antrocknen lassen.

4. Fass mit Cocktail füllen und reifen lassen
Jetzt kommt endlich der Cocktail ins Spiel. Der Drink kommt ins Fass und bleibt ein paar Wochen drin. Welcher Cocktail sich dafür eignet, erkläre ich weiter unten. Unabhängig davon ist es wichtig, regelmäßig etwas abzuzapfen und zu verkosten. Damit findet ihr heraus, wie sich der Cocktail im Fass entwickelt und ihr verhindert, dass er zu holzig wird. Denn bevor das passiert, solltet ihr ihn in Flaschen abfüllen. Am Anfang reicht wohl eine Kostprobe pro Woche, nach drei Wochen solltet ihr alle zwei bis drei Tage kosten. Hier gibt es keine Regel, es kommt auf das Fass an. In schon mehrmals benutzten Fässern reift der Cocktail langsamer als in frischen, in kleineren Fässern schneller als in großen. Aber es gilt: Je länger der Cocktail schon im Fass ist, desto kürzer sollten die Verkostungsintervalle werden. Manchmal ist die Grenze zwischen perfekt und ungenießbar ziemlich schmal.

Wichtig: Mixt etwas mehr als ins Fass passt und stellt euch eine ungereifte Probe in einer Flasche beiseite. So könnt ihr immer testen, wie sich der Cocktail im Fass im Vergleich zur ursprünglichen Version entwickelt.

Wo das Fass während der Reifezeit steht, hat ebenfalls einen großen Einfluss auf den Cocktail. Die einen sagen, dass es ein kühler Ort ohne allzu große Temperaturschwankung sein soll. Andere wiederum setzen auf Extreme, also absichtlich auf große Temperaturschwankungen. Ich habe gelesen, dass jemand sein Fass sogar im Kofferraum seines Autos gelagert hatte: nachts kalt, tagsüber ganz schön warm. Das bringt das Fass richtig zum Atem. Der Inhalt dehnt sich aus und zieht sich wieder zusammen, die Interaktion mit dem Holz ist dabei sehr intensiv. Ich habe es etwas weniger extrem gemacht und mein Fässchen in den Keller gestellt.

5. Cocktail aus dem Fass abfüllen
Wenn man bei der Kostprobe feststellt, dass der Cocktail jetzt genau den richtigen Reifegrad erreicht hat, füllt ihr ihn in Glasflaschen ab. Damit stoppt ihr die Alterung und der Cocktail bleibt wie er ist – zumindest größtenteils. Wann dieser Punkt gekommen ist, kann ich euch nicht sagen. Ihr müsste wie gesagt probieren und es selbst herausfinden. Aber wenn ihr das regelmäßig macht, bekommt ihr sicher schnell ein Gefühl dafür, ob ein paar Tage mehr im Fass in Ordnung sind oder eben nicht. Ich hatte nach acht Wochen das Gefühl: Jetzt ist genug!

Welche Cocktails eignen sich für die Fasslagerung?
Am besten eignen sich Cocktails, die ausschließlich oder zumindest zum Großteil aus alkoholischen Zutaten bestehen. Die überstehen auch mehrere Wochen der Reifung unbeschadet. Saft, Sirup, Sahne und Ei gehören nicht ins Fass, weil die Zutaten zu schnell verderben. Wenn ihr unbedingt einen Cocktail im Fass reifen wollt, der diese Komponenten enthält, dann mixt diese erst kurz vor dem Servieren frisch dazu. Das gilt übrigens auch für Bitters. Die enthalten zwar genug Alkohol, um nicht zu kippen. Weil sie aber eher zur Abrundung genutzt werden, plädiere ich auch hier, sie frisch dazuzugeben. Aber ihr solltet bedenken: Je größer der Anteil der Zutaten, die später dazu kommen, desto kleiner der Anteil der fassgereiften Zutaten – desto kleiner also der Einfluss der Fassreifung.
Deswegen habe ich für mein Projekt einen Nur-Alkohol-Cocktail gewählt: den Martinez. Er gilt als Vorfahre des Martinis und steht auf meiner Favoriten-Liste generell sehr weit oben – auch ohne Fassreifung :-) Als Vorlage habe ich das Rezept von den Kollegen von cocktailbart.de genutzt:
Für einen Drink:
60 ml Süßer Wermut
40 ml Dry Gin
7,5 ml Maraschino-Likör
2 Spritzer Angostura Bitters
Skaliert auf mein Fass (ca. 3,2 Liter):
1800 ml Süßer Wermut
1200 ml Dry Gin
225 ml Maraschino-Likör
Keine Angostura Bitters (kommen später frisch dazu)
Als süßer Wermut kam Cinzano 1757 zum Einsatz, ein sehr herber und kräftiger Wermut. Mit einem Hayman’s Royal Dock Gin mit ordentlichen 57 Prozent Alkohol habe ich gegengesteuert. Zugleich sorgt der hohe Alkoholgehalt für eine bessere Haltbarkeit. Beim Maraschino-Likör habe ich den Klassiker von Luxardo genommen, der ist sehr lecker und nicht allzu teuer. Die komplette Mischung reifte dann acht Wochen im Fässchen – natürlich immer mit Probieren zwischendurch.
Wie entwickelt sich der Cocktail Fass?
Das ist DIE Frage, um die sich bei diesem Projekt alles dreht: Wie schmeckt der Cocktail nach acht Wochen (oder wie viel auch immer es bei euch ist) im Fass? Also ich finde den Martinez schon ungereift sehr aromatisch und geschmeidig, gerade im direkten Vergleich hat er aber doch ein paar Kanten: eine leicht alkoholische Note im Abgang und eine deutliche Bitterkeit vom Wermut. Diese Kanten schleift das Fass spürbar ab, der Cocktail wird runder – noch sanfter. Er hat nach acht Wochen eindeutig mehr Süße (Honig und Vanille), was ich sowohl auf das Fass als auch auf die Portwein-Vorbelegung schiebe. Der Alkohol im Abgang ist komplett verschwunden, dafür gibt es eine holzige Note, die die Zungen trocken macht. Ich würde auch sagen, er hat was von dunkler Schokolade und Möbelpolitur bekommen. Letzteres klingt zwar abschreckend, ist es aber nicht – im Gegenteil.

Mein Fazit: Experiment geglückt! Aus dem Martinez ist nach acht Wochen im Fass kein völlig neuer Cocktail geworden, aber das ist ja auch nicht Sinn der Sache. Stattdessen ist er im wahrsten Sinne des Wortes reifer: Runder, weicher, einfach gesetzter und stimmiger. Es ist schwierig zu beschreiben, aber der Unterschied ist deutlich – und zwar deutlich positiv.
P.S. Das Fass ist jetzt zweifach vorbelegt: Portwein und Martinez. Was passiert mit einem Whisky, der in einem derart geimpften Fass lagert? Ich versuche es herauszufinden. Das wird mein nächstes Fassprojekt.
Krass Da muss man unglaublich penibel mit der Hygiene sein, dass da nichts kippt, kann ich mir vorstellen.
Eigentlich nicht allzu sehr. Es ist ja genug Alkohol im Spiel. Whisky-Fasslager zum Beispiel sind ja auch alles andere als steril.
Eigentlich nicht allzu sehr. Es ist ja genug Alkohol im Spiel. Whisky-Fasslager zum Beispiel sind ja auch alles andere als steril.
Cocktail im Fass. Gut berichtet. Die Geschmacksabrundung in Richtung Möbelpolitur ist mir auch schon aufgefallen. Keine Ahnung woher die Ähnlichkeit sich entwickelt. Vielleicht doch Geschmacksverstärker. Auch bemerke ich manchmal Tinten-Geschmack.